Slow Food, Slow Media – Sweet Night

Wir bewegen uns in unseren Jobs als Social Media Managerinnen, Webdesignerinnen, Irgendwas-anderes-Onlinerinnen bei Tag und bei Nacht so viele Stunden im Netz und agieren mit Technologien, dass uns diejenigen, die es nicht tun, manchmal beinahe fremd erscheinen. Wie die Alternative, nämlich bewussterer Umgang mit Medien, aussehen kann, haben wir kürzlich schon von Slow Mediavistin Sabria David gelernt. In dieser Woche bei den Digital Media Women boten zwei inspirierende Frauen eine ganz andere Perspektive zum Thema „Technologie in Maßen“: Andrea Kolb von Abury und Alyssa Jade McDonald von Blyss Chocolate beim Themenabend „Technology where you don’t expect it“.

Markus Mayr von Scholz & Friends, Alyssa Jade McDonald, Moderatorin Carolin Neumann, Andrea Kolb von Abury (Foto: Kixka Nebraska)
Markus Mayr von Scholz & Friends, Alyssa Jade McDonald, Moderatorin Carolin Neumann, Andrea Kolb von Abury (Foto: Kixka Nebraska)

Abury ist eine Modemarke für handgemachte Ware aus Marokko, wo mit Erlösen aus den Verkäufen sowie Stiftungsgeldern eine Schule aufgebaut wurde. Hier lernen Jungen und Mädchen, Männer und Frauen, die alte Kunst der Berber, die dem Land verloren zu gehen drohte. Andrea Kolb kennt die Näher und Näherinnen nicht nur persönlich und besucht alle paar Wochen die Dörfer, in denen die Abury-Kollektion entsteht. In der zweijährigen Entstehungsphase des erst 2011 gestarteten Unternehmens arbeitete sie eng mit ihnen zusammen, um optimale, an die kulturellen Begebenheiten angepasste Arbeits- und Lernbedingungen und Bedürfnisse auszuloten.

Auch Alyssa lässt nicht einfach irgendwo produzieren, sondern weiß, wo das, was sie verkauft, herkommt. Liebevoll spricht sie von „meinen Bohnen“. Die Australierin erzählte die bewegende Geschichte der Entstehung von Blyss: dass sie krank wurde, falsche Ernährung und ihren Job verantwortlich machte und sich dann – als jemand, der „überhaupt nicht kochen“ kann, wie sie sagt – aufmachte, die Schokolade neu zu erfinden. Wer nicht dabei war in den Räumen unserer wunderbaren Gastgeber von Scholz & Friends, der hat nebst vielen anderen Dingen auch ein exzellentes Chocolate Tasting verpasst. Das sage nicht nur ich, das schließe ich auch aus den leeren Schalen, in denen die Blyss-Portionen bis kurz vor Veranstaltungsende auf den Tischen standen.

„Ethics is not a USP“

Abury-Kollektion bei den #dmwHH (Foto: Inken Meyer)
Abury-Kollektion bei den #dmwHH (Foto: Inken Meyer)

Zwei Firmen, die einander nicht zufällig verbunden sind und das auch nicht nur, weil ihre Eignerinnen schon viele Jahre Freundinnen sind. Sie beide setzen sich von anderen Marktteilnehmern ab – Abury, indem Luxusmode nicht des exzentrischen Designers wegen teuer verkauft wird, sondern auch, um eine verschwindende Kultur wiederzubeleben und zu fördern; und Blyss durch einen Herstellungsprozess, der meinem Verständnis nach der überwiegenden Schokoladenproduktion auf der Welt nicht mal annähernd nahe kommt.

Zwei Firmen, die nachhaltig arbeiten, ökologisch und vielleicht sogar als in Ansätzen humanitär bezeichnet werden können, was ich freilich schreibe, ohne selbst die Arbeitsbedingungen gesehen oder die ArbeiterInnen gesprochen zu haben zu haben. Ich kann also bei dem, was ich über Abury und Blyss schreibe, nur von dem ausgehen, was die Gründerinnen erzählt und gezeigt haben.

„Ethics is not a USP“, hatte Lyss bei ihrem Vortrag auf der Next 2011 im Frühjahr betont. Genau genommen jedoch, auch wenn sie es öffentlich wohl niemals so sagen würden, ist „Ethics“ sehr wohl ein wesentlicher Bestandteil beider Geschäftsmodelle. Wenn man Ethik weiterfasst – als besagte Nachhaltigkeit bei Produktion ebenso wie bei Kommunikation.

So wie sich Abury auf prä-technologische Zeiten besinnt und Einzelstücke anbietet oder Blyss Slow Food zelebriert, bewussten Genuss im Kontrast zur Fast-Food-geprägten Gesellschaft, gelten bei beiden Firmen in gewisser Weise auch die Grundsätze von Slow Media. Wir erinnern uns: Die Slow-Media-Bewegung plädiert für bewussteren Umgang mit modernen Medien, ein Zurückbesinnen auf Zeit, weg von Reizüberflutung, hin zu aufmerksamerer Mediennutzung und -lektüre. Technologiefeindlichkeit kann man denen, die diesen Prinzipien folgen, nun wirklich nicht nachsagen, auch wenn Zeitungs- und Buchverleger sie sicherlich gerne als Aushängeschilder für die Zukunft des Gedruckten betrachten würden.

Schokoverköstigung (Foto: Carolin Neumann)
Schokoverköstigung (Foto: Carolin Neumann)

Abury-Taschen werden produziert in Dörfern, in denen es nicht einmal fließendes Wasser gibt. Wer hier für Abury näht oder in der Schule seine alte Kultur wieder lernt, wird gleichzeitig an moderne Technik herangeführt. Da neuerdings auch iPad-Taschen hergestellt werden, habe man ihnen zum Beispiel erst einmal gezeigt, wie so ein Tablet-Computer überhaupt funktioniert, erklärte Andrea. Schokoladenfee Lyss erzählte uns, dass sie 90 Prozent ihrer Twitterfollower persönlich kenne. Wer wie ich seit einer Weile dazu gehört, weiß, dass sie nicht übertreibt, wenn sie vom Wert persönlicher Kommunikation schwärmt und davon, wie sich so wertvolle „ambassadors“ gewinnen lassen.

Auch ich, das sollte ich als Disclaimer anfügen, bin mit diesem Event wohl so etwas wie eine Botschafterin geworden. Für Blyss ebenso wie für Abury. Obwohl ich bei beiden nicht zur Zielgruppe, dem (Luxus-)Markt, gehöre.

Verglichen mit früheren Veranstaltungen der Digital Media Women gab es am Themenabend „Technology where you don’t expect it“ deutlich weniger „Digital“ als sonst. Dafür aber a whole lot of „Woman“. In diesem Sinne: Danke, dass ihr da wart! Und vielen Dank nochmals an Markus Mayr von der Agentur Scholz & Friends, der diesen inspirierenden, angenehmen Abend und seinen reibungslosen Ablauf überhaupt erst möglich gemacht hat.

Ähnliche Beiträge