Schön pink statt schick networken

Es begann vielversprechend: In alter Tradition, so sagte Schirmherrin Maria Furtwängler, sollten wir erst einmal unseren Sitznachbarinnen die Hand geben. Wir schüttelten, lächelten. Später und noch öfters bei meiner ersten DLD Women neulich schwärmte Veranstaltungsgründerin Steffi Czerny davon, warum die Konferenz so besonders sei: machen statt reden. Die tollsten Momente seien diejenigen, wenn Macherinnen sich zusammenfinden und spontan tolle, neue Projekte anschubsen.

Entsprechend hieß es auch in der Sammeldankesmail, die vergangene Woche ankam: „Your active listening to our wonderful speakers, your asking questions, your networking and living the DLDwomen spirit made the conference an amazing experience for all of us.“

Nur dass weder Zeit blieb, die tatsächlich zu einem großen Teil wunderbaren Speakerinnen zu irgendwas zu befragen, noch der Spirit jenseits von Versprechungen auf der Bühne zu spüren war. Und das Netzwerken, ja, das Netzwerken. Gerne wäre ich Teil davon gewesen, doch den inspirierenden Worten zum Veranstaltungsauftakt folgte für mich vor allem eins: Ernüchterung.

Bevor ihr gleich wegklickt oder euch beklagt, dass ich eine Einladung zu einer der hochkarätigsten Veranstaltungen Deutschlands undankbarer Kritik kontere – lasst mich meine Eindrücke schildern.

Schon mein erster war einer, den wir bei den Digital Media Women bewusst vermeiden: sehr klischeelastig. Ein pinkes Logo wies den Weg in einen pink ausgeleuchteten Vorraum. Vorbei am Stand mit Strickutensilien, hindurchgeschlängelt zwischen jenen Besucherinnen, die zum Teil aussahen wie auf einer piekfeinen Matinee, hin zur Nagellackecke*. Wir beklagen gerne, dass Frauen per jahrzehntelang geübtem Automatismus Mädchencharakteristika zugeschrieben werden – und dann stellen wir uns selbst in eben diese Ecke bei einer Veranstaltung, die mir den Erzählungen nach immer anders zu sein schien.

Anders ist halt eben Auslegungssache.

Digital Media Woman Carolin bei der DLD Women 2012
Carolin bei der DLD Women 2012
Würden Frauen jedenfalls auf einer „normalen“ Konferenz derart über einen pinken Kamm geschoren oder würden Männer, wie der @Videopunk in einem Tweet zu Recht impliziert, unseren Auftritt erst einmal mit Äußerlichkeiten beschreiben, das Geschrei wäre groß! Doch auf der DLD Women scheint all das, was wir stets beklagen, die Marginalisierung der Frauen, ihr Chancenmangel, Vorurteile – das alles scheint in dieser seltsamen Parallelwelt nicht mehr zu gelten. Es heißt ja, nur Schwarze dürfen einander Nigger nennen. Nun: Nur in einem überwiegend weiblichen Umfeld wird es gestattet, die Weiblichkeit so – unangenehm, wie ich finde – in den Vordergrund zu stellen.

Dabei hatte ich mich auf dieses überwiegend weibliche Umfeld gerade gefreut. Es ist nicht so, dass Netzwerken auf anderen Konferenzen, wo das Geschlechterverhältnis deutlich in die andere Richtung geht, nicht möglich wäre. Doch zwei Jahre Digital Media Women haben mir gezeigt, wie viel entspannter es ist, wenn ich in einem weiblich dominierten Umfeld unterwegs bin (bzw. mich zwischen Männern und Frauen bewege, die ähnliche Überzeugungen haben und die Kompetenz des Gegenübers unabhängig vom Geschlecht absolut anerkennen). Aufgrund meiner Erfahrungen mit den vielen tollen DMW-Mitgliedern war ich sicher, dass eine Veranstaltung wie die DLD Women mir tolle Möglichkeiten, Kontakte und Ideen bringen würde.

Das „Zwischendurch“ wollte nicht funktionieren

Zwar brachten die zwei Tage viele spannende Erkenntnisse auf der inhaltlichen Ebene. Wie bei den meisten Konferenzen hatte ich jedoch auch hier vor allem auf das Zwischendurch gehofft. Ihr wisst schon: die Momente zwischen den einzelnen Panels, die Pausen, offizielle und jene, die man sich selbst macht, um Luft zu holen. In diesen Momenten soll der anfangs erwähnten Steffi Czerny zufolge ja auch die Magie der DLD Women geschehen.

Nägel statt Networking (Foto: Inken Meyer)
Nägel statt Networking (Foto: Inken Meyer)
Ich bin nicht auf den Mund gefallen und scheue mich nicht, Smalltalk zu machen, wenn ich mit jemandem an einem Tisch stehe. Ich spreche Leute mit ihrem Twitternamen an und sage „Hey, ich folge dir doch“ auf die Gefahr hin, dass sie mich verdutzt anschauen, weil das über 10.000 Leute tun (so passiert tatsächlich bei der re:publica letztes Jahr mit @happyschnitzel, die ich glücklichweise zu einem späteren Zeitpunkt noch mal richtig kennenlernte). Ich verabrede mich mit Halbfremden via Twitter, um sie in der Mittagspause einer solchen Konferenz zu treffen und habe auf all diesen Wegen schon einige spannende Kontakte gemacht.

In München allerdings… Nun ja, ich habe Kontakte geknüpft und Dinge angestoßen, doch was die Gespräche antrieb, entspricht wohl so gar nicht der Philosophie der Veranstaltung: eine große, gemeinsame Verwunderung über den Old Girls‘ Club, der da DLD Women heißt. Das ist nur eine Theorie, aber dass ich damit nicht alle zu sein schien, zeigt mir, dass ich nicht aus gekränkter Eitelkeit total daneben gegriffen habe.

Die DLD Women, ein Old Girls‘ Club

Vom Old Boys‘ Club ist immer dann die Rede, wenn Menschen die Seilschaften unter Männern kritisieren; ein System, in dem Männer Männer bevorzugen und in das Frauen nur selten vordringen – und selbst wenn, dort kaum Chance haben, Fuß zu fassen. Auf der DLD Women haben Männer, Verzeihung, primär nichts zu melden. Zwar dürfen sie auf dem ein oder anderen Podium sitzen, sollten aber dafür die Veranstaltung und ihre Organisatorinnen loben und müssen – was ja auch gut so ist – zu den Männern gehören, die Frauen fördern statt ihnen ihr Geschlecht zum Nachteil auszulegen. Nur: Davon abgesehen wirken die führenden Damen der Konferenz wie ein modernes Pendant zum einstigen Herrenklüngel, nur besser gekleidet.

Dies ist keine Aussage über die Charaktere der Speakerinnen, Teilnehmerinnen, Organisatorinnen. Ich bewundere viele von ihnen und habe es meistens sehr genossen, ihren Ausführungen beizuwohnen. Und ich unterstelle ihnen auch nicht, dass diese Ausgrenzung bewusst passiert.

Vielleicht gehört das eben zu den Nebenwirkungen, wenn eine Konferenz auf Exklusivität Wert legt und deshalb vor allem jene einlädt, die arriviert und begehrt sind – und mit denen jene wie ich, die nicht seit Jahrzehnten im Geschäft sind oder mit um die 30 bereits mit Millionen jonglieren, eben nicht so leicht ins Gespräch kommen.

Nicht einmal in der Schlange am Nagellackstand. Glaubt mir, ich habe es versucht.


* Disclaimer: Ja, auch ich habe mir während meines Aufenthalts die Nägel lackieren lassen. Nennt es Gruppenzwang. Man lege es bitte meiner Argumentation nicht zum Nachteil aus.

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