Vom Barcamp Ruhr: Damals, im Nerd-Ferienlager

Wenn die re:publica das Klassentreffen der deutschen Digitalszene ist, dann sind Barcamps ihr ungestümerer kleiner Bruder. Das Barcamp Ruhr ist zwar etwas älter geworden, wenn man langjährigen Besuchern glauben kann. Nummer vier am vergangenen Wochenende im Essener UnPerfekthaus hatte so manche Teenie-Marotte abgelegt und sich die Haare zurückgekämmt. Sprich: Von wenigen Dingen abgesehen war die Organisation sehr überzeugend und die anschließenden Ovationen samt Laolawelle für Oberzampano Stefan Evertz absolut verdient.

Was nicht heißt, dass sich der kleine Rabauke nicht noch gelegentlich vom Schulhof schleichen würde, um in der dunklen Ecke mit seinen Freunden eine zu rauchen. Ich war nie in einem Ferienlager, aber ich stelle es mir dort so ähnlich vor wie beim Barcamp Ruhr in diesem kunterbunten Haus. Nur dass ich statt mit Adressen für künftige Brieffreundschafte mit zahlreichen neuen Followern und einer Menge Facebook-Anfragen nach Hause gefahren bin.

Was die soziale Komponente angeht, hat mich das #bcruhr4 tatsächlich überrascht. Der „Hey, ich folge dir doch auf Twitter, lass uns mal einen Kaffee ein Bier trinken“-Kennenlernprozess war noch einfacher als beim Hamburger Barcamp im Oktober, meinem wohl gemerkten ersten. Ich behaupte jetzt einfach mal, das liegt a) an der unglaublich kreativen Umgebung sowie der tollen Dachterrasse der Location und b) an der Ruhrpott-Art, die ich ja noch aus meiner Studienzeit zu gut kenne. Befürchtete ich anfangs noch Pott-Twitter-Seilschaften, war ich – falls es sie gibt – am Ende des Camps wohl ein Teil von ihnen.

Ob Männlein oder Weiblein spielte dabei kaum eine Rolle, schien es. Sicher waren die Herren in der klaren Überzahl, das lässt sich gar nicht leugnen, auch wenn ich mir das Durchzählen gespart habe. Schätzungsweise waren 20 Prozent Frauen. Auch waren die mänlichen Nerds es, die den Sessionplan stellenweise sehr technisch und sehr spezifisch wirken ließen. Wenn Frauen beteiligt waren, dann erzählten sie von ihren Reisen (etwa Vivian Pein über Shanghai) oder ließen die Barcamper unerwartet lustige Dinge machen (@zauberfrau als Co-Organisatorin eines Improvisationstheaters und ich gemeinsam mit @soophie mit der schweißtreibenden Session „Bring den Nerd zum Tanzen„).

Jetzt könnte man klagen, dass nicht auch die Teilnehmerinnen mehr „mit Substanz“ beigetragen, sondern sich weitestgehend auf die „leichten“ Themen konzentriert haben. Selbst wenn etwa die Webdesignerin Christiane Tänzer sehr überzeugend die Begeisterung für Lomographie, eine künstlerische Form der analogen Fotografie, vermittelte oder Designerin Christina von Poser die (dem Vernehmen nach, ich selbst war nicht dabei) nützliche Tipps für Selbstständige gab – ein vielleicht nicht technisches Thema, aber eines, für das man ohne Fachwissen nicht auskommt.

Mitm Bus innen Pott
Das Ungleichgewicht unter den Sessionhaltern ist nicht schön. Beim Barcamp Hamburg hatten wir mit den Digital Media Women Hamburg mehrere Sessions angeboten und wohl auch generell den Frauenanteil deutlich erhöht – was durchweg positiv aufgenommen und sogar entsprechend bei Twitter und in Blogs kommentiert wurde. Ich wage zu behaupten, dass es beim Barcamp Ruhr ähnlich war.

Organisator Stefan Evertz ließ sich via Twitter-Nachricht dazu hinreißen, vorsichtig zu schätzen, dass mehr Frauen in Essen dabei waren als noch im Vorjahr. Lasst uns dafür sorgen, dass es beim Barcamp Ruhr 5 noch mehr sein werden – nächstes Jahr chartern wir ’nen Bus!

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Mein sehr persönliches Fazit des Barcamp gibt es hier.

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